Wir haben bei Einzelhändlern und Gastronomen aus der Region nachgefragt
ALSTERTAL/WALDDÖRFER Nach dem Lockdown dürfen Einzelhandel und Gastronomie wieder öffnen. Hinter den Unternehmern liegen harte Monate: Sie mussten ihre Betriebe schließen, die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder schlimmstenfalls sogar entlassen. Einige Beschäftigte haben sich mittlerweile umorientiert, Teams müssen wieder eingearbeitet und Arbeitsabläufe unter den geltenden Bedingungen neu geplant werden.
Die Pandemie hat sich auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt: Stark betroffen sind die Gastronomie und die Hotellerie. Hier haben sich Mitarbeiter aufgrund der langen Schließungen zum Teil umorientiert. Sie fehlen jetzt, um zum Beispiel in Restaurants den gewohnten Service und reibungslose Abläufe zu garantieren. „Wir sehen erhebliche Abwanderungen in andere Berufszweige“, bestätigt Niklaus Kaiser von Rosenburg, geschäftsführender Vorstand der Dehoga in Hamburg. Die Gastronomie laufe langsam an, aber solange die Touristen fehlen, kaum Events stattfinden und große Familienfeiern nicht möglich sind, fehlen Gäste. Er kritisiert, dass die Gastronomie höhere Auflagen erfüllen muss, als sie im privaten Umfeld gelten und fordert eine Gleichbehandlung.
„Aus Erfahrungen wissen wir, dass nach einer Krise mit zunehmender Arbeitslosigkeit, sich die Erholungsphase erst zeitversetzt bemerkbar macht“, sagt Knut Böhrnsen, Sprecher der Agentur für Arbeit. Jetzt gehe es darum, dass die Auftragslage sich insgesamt erholt und stabilisiert und mittelfristig Kurzarbeit abgebaut wird. In einigen Branchen wie der Gastronomie und im Einzelhandel geht das schnell, in anderen Bereichen wie im Veranstaltungsmanagement wird es etwas länger dauern.(str)
„Schöne Dinge sind gefragt“
Der Einzelhandel kommt zurück! Da bin ich sehr optimistisch. Ich denke, wir werden an alte Umsätze anknüpfen, aber die Ausfälle während des Lockdowns nicht aufholen. Das Geschäft mit Saisonartikeln, etwa zu Ostern, ist ja fast komplett weggefallen. Dafür stellen wir jetzt fest, dass schöne Dinge weiter gefragt sind. Schauen Sie: Während der letzten zehn Monate mussten die Leute ihre alten Sachen angucken, da besteht jetzt ein gewisser Bedarf an Neuem. Außerdem hat hier im Umkreis die Kaufkraft durch den Lockdown nicht nachgelassen. Hinzu kommt, dass viele Kunden vom Einkauf im Internet enttäuscht sind. Bei vielen Waren kommt es eben doch darauf an, sie in die Hand zu nehmen und zu spüren.
Karola Reifberger, Rustikal und Schön, Volksdorf
„Das Geld für die Altersvorsorge ist weg“
Das Konzept Click & Collect ist ganz super angenommen worden von meinen Kunden, die sehr treu sind. Sie haben angerufen und zeitig bestellt. Beim Verkauf an der Tür kamen sehr gute Gespräche zustande. Ich hatte abends zwar ordentlich Kilometer auf der Uhr, aber das ist ja auch eine gute Sache. Seit der Wiedereröffnung läuft es vom Umsatz her deutlich besser. Im Moment kommen wir gut über die Runden und brauchen kaum noch Hilfen. Ich kann wirklich zufrieden sein. Im ersten Lockdown habe ich von der Stadt Hilfen bekommen, vom Bund nicht, obwohl wir null Einnahmen hatten. Das war sehr heftig, weil ich da noch zwei Geschäfte, also auch zwei Mieten hatte. Warum mir das nicht zustand – ich weiß es bis heute nicht. Und das sagt einem auch keiner, selbst wenn man nachfragt. Ich musste das privat ausgleichen mit dem Geld, das für meine Altersvorsorge gedacht war. Das Geld ist weg, und das Thema Altersarmut macht mir schon sehr zu schaffen. Ich werde noch sehr, sehr lange arbeiten müssen. Das bringt mir aber unheimlich viel Spaß – ich sehe immer das Positive darin!
Heike Post (69), Spielwarengeschäft „Kinderpost“, Poppenbüttel
„Öffnung wird sehr begrüßt“
Die Kunden haben uns nicht gerade überrannt, aber die Öffnung wird sehr begrüßt. Es läuft verhalten wieder an, wobei das Sommergeschäft bei uns immer schon schwierig vorherzusagen war: An einigen Tagen platzt der Laden aus allen Nähten, an anderen Tagen ist es wieder erstaunlich ruhig.“
Ewa und Sven Leya, Herrenmode im Herrenhaus Ahrensburg
„Erste große Firmenevents“
Den ersten Grillkurs nach dem Lockdown haben wir wegen der unsicheren Lage fünfmal verschieben müssen. Jetzt können wir wieder eine komplette Reihenfolge anbieten. Es gibt eine rege Nachfrage, sogar die ersten großen Firmenevents sind gebucht.“
Andreas Tschetschorke, Grillakademie,
Hoisbüttel
„Es ist schön, wieder Gäste zu empfangen“
„Der letzte Lockdown war sehr anstrengend – sieben Monate sind eine lange Zeit. Man versucht, sich immer wieder neu zu erfinden und zu gucken, was man am besten macht, um wirtschaftlich zu überleben. Ich habe das Glück, dass ich mein gesamtes Personal immer noch zur Verfügung habe, das ich, auch mithilfe von Kurzarbeitergeld und den Hilfen, durchgängig bezahlen konnte – im Gegensatz zu Kollegen, deren Leute sich andere Jobs suchen mussten, weil der Zeitraum einfach zu lang war. Generell gibt es ein riesengroßes Personalproblem in ganz Hamburg. Ich habe den Außenbereich erst in der zweiten Wochen nach dem Restart wiedereröffnet. Zum einen, weil die Terrasse klein ist, zum anderen, weil meine Markisen nicht wasserdicht sind. Nun nutze ich noch den Wintergarten als Außenbereich und habe so 45 Außenplätze. Drinnen musste ich wegen der Abstandsregeln von 120 auf 80 Plätze reduzieren. Ich freue mich unglaublich, all meine Gäste wieder begrüßen zu können. Es ist schön, wieder das Leuchten in den Augen zu sehen, das Geschirrklappern, das Gläserklirren, das Stimmengemurmel zu hören. Die Sommerferien und die laufende EM spielen mir nicht gerade in die Karten, weil ich kein ‚Fußballschau-Restaurant‘ bin. Deshalb habe ich einen Ruhetag mehr, aktuell Dienstag und Mittwoch, dadurch spare ich auch an Personal. Durch die auferlegten strengen Regeln ist es nicht einfach – gerade für uns Gastronomen. Wir müssen die Strafen zahlen, falls sich ein Gast nicht eincheckt. Zum Glück ist das noch nicht passiert, weil meine Gäste vernünftig sind. Wir halten uns an alles, aber ich finde, es wird mit zweierlei Maß gemessen: Im Lebensmittel- und Einzelhandel geht es ohne Tests, ohne ‚genesen und vollständig geimpft‘ – bei uns nicht. Da wir uns inzwischen bei einer Inzidenz unter 17 bewegen, verstehe ich nicht, warum der Bürgermeister nicht einen Schritt weiter aufmacht. Ich möchte wirklich nicht der Nörgler sein, aber ich möchte das offen kritisieren können.“
Öffnungszeiten: Mo, Do, Fr + Sa – 12 bis 15 Uhr und ab 17.30 Uhr, So – 12 Uhr durchgängig.
Lenz Leslie Himmelheber, Gastronom, Restaurant Lenz, Duvenstedt
Last modified: 16. Juni 2021