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Wird Volksdorf zum Autobahnzubringer?

24. März 2021

Umweltschützer sind in Alarmbereitschaft

VOLKSDORF/AHRENSBURG Gefährdete Arten und ihre Lebensräume zu schützen – das ist Ziel der 1992 von der EU erlassenen Fauna-Flora Habitat-Richtlinie. Zahlreiche solcher Schutzgebiete wurden seitdem ausgewiesen. Auch das Stellmoorer/Ahrensburger Tunneltal mit seinen einzigartigen archäologischen Funden und der Höltigbaum gehören dazu. Jetzt drohe schwerer Schaden, schreiben neun Umweltinitiativen in einem Brandbrief, denn das Gebiet wird insgesamt von drei Projekten in die Zange genommen – mit Auswirkungen auch auf den Autoverkehr.

Von Matthias Damm

und doch weltweit als Fundort beachtet: Svenja Furken zeigt auf einen 14.000 Jahre alten Lagerplatz der Rentierjäger im Tunneltal, unmittelbar neben der Bahnstrecke
Völlig unscheinbar und doch weltweit als Fundort beachtet: Svenja Furken zeigt auf einen 14.000 Jahre alten Lagerplatz der Rentierjäger im Tunneltal, unmittelbar neben der Bahnstrecke. Foto: Matthias Damm

Das Naturschutzgebiet zwischen B75 und der A1 ist weit über die Region hinaus bekannt für besonders geschützte Lebensraumtypen, seltene Tier- und Pflanzenarten wie Fischotter, Kammmolch oder Sumpfquendel. Weltweite Beachtung finden die 14.000 Jahre alten archäologischen Funde: Hier wurden zum ersten Mal in Nordeuropa Aktivitäten der Rentierjäger nachgewiesen. Deutschland hat mit der Ausweisung solcher Gebiete die Verpflichtung übernommen, deren günstigen Erhaltungszustand auf Dauer sicherzustellen. „Davon kann keine Rede sein, denn 70 Prozent dieser Gebiete in Deutschland zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist“, so Svenja Furken von der Interessengemeinschaft Tunneltal.

Der Bau zweier zusätzlicher Gleise für die S4 werde das Schutzgebiet Tunneltal und Stadtgebiete in Hamburg und Ahrensburg mit bis zu sechs Meter hohen Schallschutzwänden zerteilen und archäologische Denkmäler zerstören. „Wir sind nicht gegen eine moderne S4, die könnte auf den bisherigen Gleisen fahren, wir wehren uns gegen die geplante Mogelpackung: Der Streckenausbau dient dem Güterverkehr Richtung Fehmarnbelt-Tunnel. Lärmenden Güterzugverkehr im 15 Minuten Takt durch Wohn- und Naturschutzgebiete und nicht zum Beispiel entlang der A1 zu bauen, ist aus vielen Gründen abzulehnen.“

Der geplante Brückenbau im Tunneltal
Brückenschlag über das Tunneltal bei viergleisigem Ausbau der Strecke Hamburg-Lübeck. Foto: DB Engineering & Consulting GmbH

Planungen der Bahn sehen unter anderem vor, die Straße Brauner Hirsch mit einer großen Brücke über die dann viergleisige Bahntrasse zu führen. Klinge zunächst konsequent, denn eine Schranke wäre sicher öfter geschlossen als geöffnet. „Aber die wirkliche Konsequenz wäre, dass durch Volksdorf mehr Autoverkehr als Zubringer zur A1 über Ahrensfelde einsetzen würde,“ so Furken.

Die IG Tunneltal kritisiert neben dem Ausbau der Bahnstrecke noch zwei weitere Projekte mit negativem Einfluss auf das Tunneltal. Zum einen das Gewerbegebiet Merkurpark und Viktoriapark, das nochmals um den 230.000 Quadratmeter großen Minervapark erweitert werden soll. Ihre Befürchtung: mehr Verkehr, Lärm, Licht und Schadstoffe. Das Gleiche gilt für den geplanten Neubau einer Klärschlammverbrennungsanlage direkt neben dem Schutzgebiet Höltigbaum. Das Problem dort: „Die zusätzliche Schadstoffmenge wird durch einen viel zu niedrig geplanten Schornstein direkt die angrenzende Tier- und Pflanzenwelt schädigen“.

Fischotter
Die Umweltschützer sehen den Lebensraum des Fischotters in Gefahr, wenn die Pläne umgesetzt werden. Foto: adobestock

Als Kind Pfeilspitzen gefunden
1960 habe ich als zehnjähriger Schüler der Walddörfer Schule selbst erlebt, was es mit dem Tunneltal auf sich hat. Eines Tages sagte unser Erdkundelehrer, dass wir am kommenden Tag alle einen Spaten oder etwas Geeignetes zum Graben mitbringen sollen. Tags drauf marschierte die ganze Klasse über die Schranke Brauner Hirsch ins Tunneltal, stoppte auf einer Wiese und unser Lehrer erinnerte uns: „Hier sind, wie ihr wisst, schon vor 14.000 Jahren Rentierjäger durchgezogen, haben gelagert und gejagt. Hier muss man nur einen Spaten in die Erde hauen, man findet immer etwas“. Und so war es. Wir brachten mit unser laienhaften Ausrüstung tatsächlich gut erhaltene Pfeilspitzen und Feuersteine ans Licht. Das war E
rdkundeunterricht nach meinem Geschmack, spannender geht es nicht.
Matthias Damm

Last modified: 23. März 2021

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