„Gott muss keinen Abstand halten“
SASEL/ WELLINGSBÜTTEL Das Kirchenjahr 2020 hat vieles von Pastoren gefordert: Gottesdienste wurden online gefeiert, Taufen, Konfirmationen und Trauungen oft verschoben. Auch Weihnachten wird ganz anders verlaufen als gewohnt. Zwei Pastorinnen und ein Pastor schildern, wie sie diese Herausforderungen mit Kreativität und Zusammenhalt gemeistert haben.
Von Anja Krenz
Im Frühling mussten die Konfirmationen ausfallen. Sie wurden im Herbst nachgeholt. Gesina Bräunig, Pastorin in Wellingsbüttel sprach den Segen, ohne den Konfirmanden wie sonst die Hand auf den Kopf legen zu können. „Wegen der Abstandsregeln übernahmen das die Eltern. Das war für alle so bewegend, dass wir das vielleicht beibehalten.“ Für Brautpaare sei es kein schönes Jahr gewesen. Wegen der begrenzten Teilnehmerzahl bei Gottesdienst und Feier hätte man Gäste ausladen müssen – diese Entscheidung wollten viele nicht treffen.
„Positiv ist die enorme Hilfsbereitschaft in der Gemeinde“, sagt Frank-Ulrich Schoeneberg, Pastor in Sasel. Sie reicht von Einkaufshilfen und im Notfall persönlichen Geldzuwendungen bis zu den ‚Geh-Sprächen‘ mit Senioren, geführt von der Diakonin als Spaziergang mit Gespräch. Auch Bräunig erlebt viel Hilfsbereitschaft in Wellingsbüttel: Spenden gingen an eine Schaustellerfamilie und Kulturschaffende. Apropos Kultur: Aus ihren Gemeinden schlägt ihnen Freude und Dankbarkeit entgegen für die Musik in den Gottesdiensten.
Susanne Bostelmann, die als Pastorin in Sasel tätig ist, erzählt von einer begeisterten Frau, die sagte: „Wie schön ist Live-Musik, und wie sehr habe ich das vermisst! In der Kirche bekommen wir das jeden Sonntag!“ Und Bräunig stimmt ein: „Wenn die Orgel einsetzt, kann man das körperlich spüren, das ist so schön!“
Das Fazit der drei Kirchenleute über ihre diesjährige Arbeit lautet: Obwohl für alle Altersgruppen etwas dabei war, waren vor allem die Älteren dankbar für die Angebote.
Richtschnur für Handeln
Susanne Bostelmann kamen manchmal Zweifel: „Ich habe nicht mit Gott gehadert, aber mit einigen Entscheidungen, wie der Tatsache, dass man Sterbenden nicht beistehen und sich nicht verabschieden durfte. Da mussten wir schon sehr trösten. Diese Pandemie ist auf keinen Fall eine Gottesstrafe – sie ist menschengemacht. Das müssen wir begreifen!“
Mancher bedürfe klarer Worte, ergänzt Schoeneberg: „Wenn mir einer mit Bill Gates kommt, muss ich einwirken. Dann erinnere ich daran, dass wir als Christen von Gott berufen sind, Verantwortung für unsere Nächsten und auch für uns selbst zu tragen. Aber bei den richtigen Corona-Leugnern ist Hopfen und Malz verloren.“
Katastrophen zu erklären, sei nicht die Aufgabe von Theologen, sagt er. Vielmehr müsse ein Seelsorger bei der Deutung der individuellen Erfahrungen helfen. Wenn er selber zweifle, werfe er sich Gott in die Arme, im Vertrauen darauf, dass er Hilfe, Kraft und Hoffnung schenkt. Bostelmann erklärt: „Gott verhindert keine Katastrophen – er gibt uns in solchen Situationen mit den zehn Geboten eine Richtschnur für unser Handeln. Und Gott muss keinen Abstand halten!“
Bei Bedarf bitte klingeln!
Die drei Pastoren der Saseler Vicelinkirche und der Wellingsbütteler Lutherkirche arbeiten eng zusammen. „Dieses Miteinander ist absolut wichtig“, sagt Schoeneberg, „denn nicht jeder kann alles gleich gut.“
Wegen Corona wird jetzt vieles digital erledigt, wie der Konfirmandenunterricht per App, die Jugendgottesdienste live bei Instagram oder die „Kinderkirche“ zum Hören auf der Homepage. Auch für die Weihnachtsgottesdienste wurden in den verschiedenen Gemeinden kreative Ideen entwickelt, damit möglichst viele Gemeindemitglieder Gottesdienste und Andachten erleben können. Vieles ist jetzt online möglich – sicher von zu Hause aus.
Als Seelsorger, das betonen die Drei, sind sie jederzeit ansprechbar – telefonisch und persönlich: „Wir leben neben dem Kirchturm, damit die Menschen bei Bedarf an unserer Tür klingeln können. Wir werden gerne gestört. Und wir freuen uns darüber“, bekräftigt Pastor Schoeneberg.
Last modified: 23. Dezember 2020