Willkommen in den Walddörfern und im Alstertal

Veraltete Radwege und fehlende Konzepte

4. August 2021

Sicherheitsoffensive für den Radverkehr nach zwei schweren Unfällen

VOLKSDORF Information und Kontrolle: Mit diesen Mitteln möchte die Polizei das Radfahren in den Walddörfern möglichst rasch sicherer machen. Aktueller Anlass sind zwei schwere Rad-Unfälle in Volksdorf innerhalb weniger Tage. Darüber hinaus sind allerdings keine kurzfristigen Maßnahmen für mehr Sicherheit für Radfahrer geplant, wie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) kritisiert.

Von Marius Leweke

Es herrscht reger Betrieb am Infostand, den das Polizeikommissariat 35 auf dem Volksdorfer Wochenmarkt aufgebaut hat. Zwei Stadtteilpolizisten, eine Polizei-Verkehrslehrerin, der Leiter der Straßenverkehrsbehörde und Kommissariatsleiter Jan Fedkenhauer beantworten Fragen und gehen aktiv auf Marktbesucher zu. „Wir wollen darüber informieren, wie sich Radfahrer im Alstertal und den Walddörfern möglichst sicher bewegen können“, sagt Jan Fedkenhauer. Ein Schwerpunkt der Ansprache: Die Gefahr, als sogenannter „Geisterradler“ – also beim Fahren auf Geh- oder Radweg gegen die Fahrtrichtung – angefahren zu werden. „Das ist in unserem Bereich eine häufige Unfallursache.“
Autofahrer wiederum tragen zu mehr Sicherheit für Radfahrer bei, wenn sie den vorgeschriebenen Mindestabstand beim Überholen einhalten, so die Polizei. Darum ist aktuell die Fahrradstaffel der Polizei Wandsbek in Zivilkleidung auf den Straßen der Walddörfer unterwegs, um die Einhaltung der 1,5 Meter Seitenabstand zu kontrollieren. Wer den Abstand nicht einhält, wird von in der Nähe wartenden Streifenwagen angehalten und verwarnt. „Das ist für die Kollegen auf den Rädern manchmal lebensgefährlich“, sagt Fedkenhauer.

Fahrrad_Polizei_DSCF1239_ML
Informieren über sicheres Radfahren: Polizeiverkehrslehrerin Binaca Schröder und Kommissariatsleiter Jan Fedkenhauer. Foto: Marius Leweke

„Nicht alles lässt sich durch Prävention lösen“

Allerdings, und das bestätigen auch die Polizisten am Infostand, lassen sich nicht alle Probleme durch Prävention und Kontrolle lösen. „Im Alstertal und den Walddörfern fehlt es an vernünftigen Fahrradkonzepten“, klagt Ulf Dietze, Sprecher der Bezirksgruppe Wandsbek des ADFC. Auf den Hauptstraßen gebe es so gut wie keine Möglichkeit, separate Fahrradspuren, sogenannte Schutzstreifen, einzurichten. Zugleich wurde fast überall die Benutzungspflicht für die noch vor einigen Jahren ausgeschilderten Radwege abgeschafft. Zu Recht, wie Dietze findet. „Die Radwege stammten aus den 1970er- und 1980er-Jahren und entsprachen nicht mehr dem Stand der Technik.“
Für Dietze wäre derzeit die beste Möglichkeit für ein sicheres Miteinander von Fahrrad- und Autoverkehr auf der Straße die Einrichtung von Tempo-30-Zonen auch auf Durchgangsstraßen wie dem Waldweg oder dem Volksdorfer Damm. Die meisten Verkehrsexperten seien sich einig, dass Radfahren sicherer ist, wenn der Radler im Blickfeld des Autofahrers ist. „Das gilt insbesondere in den Walddörfern mit ihren dicht bewachsenen Grünstreifen am Fahrbahnrand.“
Auch Verkehrssenator Anjes Tjarks kann sich eine Ausweitung der Tempo-30-Zonen vorstellen, wie er dem „Hamburger Abendblatt“ sagte. Es gebe sehr viele Straßen in Hamburg, so Tjarks, in denen es aufgrund der Straßenbreite schwer sei, einen Radweg zu bauen. „Dann kann man entweder alle Vorgärten enteignen oder man führt Tempo 30 ein.“ Das Problem: Die Straßenverkehrsordnung erlaubt das nicht. Eine solche Geschwindigkeitsbeschränkung auf Durchgangsstraßen ist nur für klar definierte Ausnahmefälle – etwa vor sozialen Einrichtungen – vorgesehen.

ADFC: Radrouten über Nebenstraßen

Als mögliche Alternative schlägt der ADFC vor, Radrouten über Nebenstraßen zu führen und diese konkret auszuschildern. „Viele Radfahrer fahren gern einen Umweg, wenn sie sicherer unterwegs sind“, meint Dietze. Er hat registriert, dass während der Pandemie-Zeit das Fahrrad als Verkehrsmittel attraktiver geworden ist. ADFC und Polizei sind sich einig: Das Ziel muss es sein, weniger Unfallopfer zu haben.

Die Zahlen aus den Walddörfern und dem Alstertal sind alarmierend. Seit drei Jahren steigt die Zahl der Verkehrsunfälle, an denen Radfahrer beteiligt sind, stetig. Waren es 2018 noch 159 gemeldete Unfälle, sind es 2020 schon 171. Hamburgweit liegen die Zahlen sogar im vierstelligen Bereich. Im vergangenen Jahr gab es 3671 Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt waren. Immer wieder auch mit tödlichem Ausgang.
Am 23. Juli endete ein Zusammenstoß mit einem Kastenwagen in Volksdorf auf der Farmsener Landstraße/Meiendorfer Weg für einen 54-jährigen Radfahrer tödlich.

Mahnwache1_ADFC Hamburg_Ulf Dietze
Mit einem weißen Fahrrad erinnern Mitglieder des ADFC an der Farmsener Landstraße an ein Unfallopfer. Foto: Ulf Dietze

Last modified: 4. August 2021

Comments are closed.