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„Weniger Dramatik hätte gut getan“

10. Februar 2021

Wetterexperte aus Sasel plädiert für sachliche Berichterstattung

SASEL „Wenn die Wetterlage extrem ist, werden wir Meteorologen natürlich um Einordnungen gebeten“, sagt Wetterexperte Frank Böttcher. Daher war der Saseler in den vergangenen Tagen ein begehrter Gesprächspartner der Medien. Obwohl die zum Wochenende erwartete „Schneekatastrophe“ in Hamburg ausblieb, ist der Winter bei uns angekommen.

Von Anja Krenz

Schneetief „Tristan“ verschonte zwar die Hansestadt, sorgte aber in Teilen Deutschlands für genau die Zustände, die befürchtet worden waren: festgefahrene LKW, Autos, die unter dicken Flockenhauben erst gefunden und dann mühsam freigeschaufelt werden mussten, Winterdienste, die sich ihren Weg durch weiße Massen bahnen, diese beiseite räumen und anschließend die Straßen streuen mussten. Mancherorts gab es meterhohe Schneeverwehungen, Bahnverbindungen wurden eingestellt. In Hamburg jedoch schmolz der Traum von einem Wintervergnügen auf Hamburger Hügeln und Hängen am vergangenen Freitag dahin – im Nordosten unserer Stadt segelten nur wenige Flöckchen zu Boden. Der sogenannte „Flockdown“ fiel in Norddeutschland weniger schlimm aus als erwartet.
Deshalb hätte „ein bisschen weniger Dramatik in der Berichterstattung über diese Wetterlage durchaus gutgetan“, sagt Meteorologe Frank Böttcher. Einer seiner Kollegen habe Anfang vergangener Woche das Wort „Schneekatastrophe“ ausgerufen und an den Winter 78/ 79 erinnert.

EWettermoderator Frank Böttcher aus Sasel
Frank Böttcher, ist bundesweit als Wetterexperte bekannt
Foto: Böttcher-Science

Devise: ruhig bleiben und erstmal gucken

Böttchers Devise: erstmal angucken. Denn er habe das Gefühl gehabt, dass der hohe Norden gar nicht so stark betroffen werde und dass alles viel weiter südlich geschehe. Und genauso sei es dann ja auch passiert. „Die Schneehöhen im Harz liegen verbreitet bei über 50 Zentimetern. Auch das Weserbergland hat besonders viel abbekommen“, bilanziert Böttcher. Ein paar Schneeschauer, die von der Ostsee hereingezogen seien, hätten auch Flensburg oder Schleswig mit pudrigem Weiß überzogen. „Aber den meisten Schnee in Schleswig-Holstein gab es erst ab Dienstagnacht, örtlich sogar über 30 Zentimeter.“ Hamburg sei diesmal nicht außen vor geblieben, da durch die Windrichtung „die Schauerstraße zu uns hereingereicht habe.“

Obwohl seine Expertisen vielfach eingeholt wurden, habe er nicht mehr Zeit am Rechner, seinem alltäglichen Arbeitsgerät, verbracht, sagt Frank Böttcher. Er habe weniger E-Mails geschrieben und das Buch, an dem er gerade arbeite, ruhen lassen. Stattdessen habe er Interviews vorbereitet und Wetterdaten recherchiert.

Gewusst? Flugzeuge liefern Wetterdaten

Und wer hätte geahnt, dass es davon aktuell weniger gibt, weil weniger Flieger in der Luft sind? „Das ist tatsächlich so“, bestätigt Böttcher. „Beim Start und bei der Landung liefern Flugzeuge kontinuierlich Daten, wenn sie durch die untere Wetterschicht fliegen. Das ist hervorragend, weil man damit ein sehr schnelles Bild davon hat, wie diese aufgebaut ist.“ Dass diese Daten derzeit zum Teil fehlten, sei aber nicht so tragisch: Zum einen gebe es hinreichend Fernerkundungsdaten, die ebenfalls Informationen liefern könnten, zum anderen reiche das, was an Flugzeugen noch unterwegs sei, aus, „um ein gutes Verständnis davon zu haben, wie die Atmosphäre aufgebaut ist.“

Die Zeichen stehen weiterhin auf Winter. Die Grundwetterlage, so Böttcher, sei relativ stabil. Der Dauerfrost werde noch tagelang anhalten. Selbst wenn die winterlichen Verhältnisse Ende Februar für ein, zwei Wochen unterbrochen würden, sei „das Wetter ein Wiederholungstäter.“ Daher wolle er nicht ausschließen, „dass wir noch bis in den März hinein Wetterlagen bekommen, die uns immer wieder mal kräftig Schnee nach Norddeutschland bringen können. Mit diesem Winter werden wir aus meiner Sicht noch ein bisschen zu tun haben.“

Last modified: 10. Februar 2021

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