Willkommen in den Walddörfern und im Alstertal

Im Alstertal wird es richtig heiß

16. Dezember 2020

Wettermoderator Frank Böttcher kommt aus Sasel und kennt sich mit Klimawandel und Extremwetter bestens aus

SASEL Frank Böttcher ist das personifizierte „learning by doing“: Er präsentiert seit Jahren das Wetter in Funk und Fernsehen, obwohl er Meteorologie nicht studiert hat. Ohne Notenkenntnisse hat er als 21-Jähriger mit zwei Freunden ein Musical geschrieben und zur Aufführung gebracht. Um zu verstehen, wie ein Verlag funktioniert, hat er einen gegründet. Seit 22 Jahren ist er sein eigener Chef und plant nun ein Science Center in Hamburg, in dem sich alles nur um die Wissenschaft dreht.

Von Anja Krenz

Der erste nicht studierte Meteorologe im Vorstand der deutschen meteorologischen Gesellschaft war: Frank Böttcher. Warum er, der sich sein Leben lang fürs Wetter interessiert, aber nie einen akademischen Titel erlangt hat, erklärt er mit dem Ambiente im Seewetteramt, wo er mehrere Praktika absolvierte: „Die hellgrünen Lackwände, der Geruch nach Lochstreifenpapier – ich habe mich gefragt: Will ich mein Leben lang über diesen Linoleumboden laufen?“ Das wollte er nicht und ließ sich erstmal zum Werbekaufmann ausbilden, um zu lernen, wie Pressearbeit, Markenbildung und Kommunikation funktionieren. Doch die Meteorologie ließ ihn nicht los. Statt zu den Professoren zu gehen, holte Böttcher sie zu sich, indem er vor fünfzehn Jahren den Extremwetter-Kongress gründete. „Ich habe immer die besten Wissenschaftler zum jeweiligen Thema eingeladen. Als Moderator habe ich alle Vorträge als Input bekommen. Und alles aufgesogen.“ Außerdem hat er mit den Kongressen das angeschoben, was er eigentlich will: mehr Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.

Extremwetterexperte und Moderator Frank Böttcher
Liebt den Erdball, leidet an Flugangst und hält Schuhe für eine der besten Erfindungen der Menschheit: Frank Böttcher Foto: Science

Extremwetter in Hamburgs Nordosten?

Zu klimatischen Veränderungen werde es auch im Alstertal und in den Walddörfern kommen, meint der Saseler. Seine Erwartung: weniger Dauerfrosttage, mehr Hitzetage. Starkregenereignisse werden wahrscheinlich nicht häufiger, aber intensiver. Eine Zunahme des Windes und der Stürme in Norddeutschland sehe er nicht, sagt Böttcher. „In Hamburg gab es in den letzten 30 Jahren sogar eine Abnahme der Sturmtage.“ Die einfache Erklärung: Stürme entstehen vor allem dort, wo es große Temperaturgegensätze gibt, zum Beispiel in der Arktis. Zieht sich das Eis durch die globale Erwärmung zurück, nehmen „die Stürme eine nördlichere Bahn, kommen also seltener zu uns herein.“ Er rechnet mit längeren Trockenphasen, ohne dass sich die Gesamtniederschläge signifikant verändern. Dennoch würde er davon abraten, Palmen zu pflanzen – die würden erfrieren: „Die kalten Winter werden zwar seltener, aber sie kommen trotzdem noch. Es ist daher auch möglich, dass uns dieser Winter wieder minus 15 Grad bringen wird.“ Zu Weihnachten sei jedoch höchstens mal ein Schneeschauer zu erwarten, ansonsten bleibe es grün. Und wegen des steigenden Meeresspiegels „werden wir uns ab 2050 über ein Elbe-Sperrwerk Gedanken machen müssen, um unsere Stadt zu schützen.“

Nachhaltigkeit gegen Klimawandel

Dass Menschen den Klimawandel leugnen, Liebgewonnenes nicht aufgeben wollen und Angst vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch haben, kann Böttcher verstehen, aber: „Wir haben keinen Planeten B, auf den wir ausweichen können, wenn unsere Ressourcen aufgebraucht sind.“ Daher hofft er darauf, dass die Gesellschaft den Weg der Nachhaltigkeit einschlägt: nur so viel verbrauchen, wie verfügbar ist und erneuerbare Energien nutzen, „die uns frei Haus geliefert werden.“ Dieser Ansatz müsse über den sachlichen Dialog vermittelt werden, „wenn wir als Menschheit auf diesem Planeten überleben wollen.“ Der Mensch sei nur dann innovativ, wenn er unter Druck gerate, sagt er.

Im Science Center gibt es Wissenschaft hautnah

Aktuell plant der 52-Jährige sein neuestes Projekt: das Science Center Hamburg. Diese Einrichtung soll die Erkenntnisse der Wissenschaft zeigen, erklären, erlebbar machen und zu Diskussionen anregen. Ein Beispiel beschreibt das Konzept: In einem Raum könnten Besucher das Auftreffen einer 20 Meter hohen Welle, einer sogenannten Freakwave, auf einer Schiffsbrücke nachempfinden. Nur leicht durchnässt können sie anschließend anhand von Exponaten entdecken, was Licht-, Schall- und Wasserwellen mit den kleinsten Teilchen in unserem Universum gemeinsam haben. „Unsere Welt verstehen, von dem ausgehend, was wir kennen – das wird die Aufgabe des Science Centers sein“, sagt Böttcher. Ein Förderverein ist bereits gegründet und die Machbarkeitsstudie im März fertig. Ein Standort, der für Touristen und Hamburger gut erreichbar sein sollte, muss allerdings noch gefunden werden. Frank Böttcher sagt dazu: „Es geht mir darum, die Wissenschaft dorthin zu bringen, wo die Menschen sind.“

Last modified: 10. Februar 2021

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