Angelika Dudek übersetzt 100 Jahre altes Tagebuch
VOLKSDORF/EIMSBÜTTEL Die Eimsbüttlerin Angelika Dudek hat einen echten Schatz für die Nachwelt gerettet: Sie hat die in Sütterlin-Schrift verfassten Tagebuchaufzeichnungen der jungen Volksdorferin Käte K. transkribiert und den Originaltext jetzt als Buch herausgegeben. Das Zeitdokument gibt einen lebendigen Einblick in die Gedanken und Empfindungen eines jungen Mädchens und lässt das Leben in den Walddörfern in den frühen 1920er Jahren anschaulich werden.
Von Susanne Lorenz
Seit Ende der 1990er Jahre ist die Herausgeberin des Buches, Angelika Dudek, im Besitz der Tagebücher. Inspiriert von einem eigenen Ahnenforschungsprojekt gibt sie eines Tages eine Annonce auf: „Suche alte Tagebücher“.
Mit einer Annonce fing alles an
Nur wenig später erreicht sie der Anruf einer Frau, Pflegekraft in einem Seniorenheim: Eine kürzlich verstorbene Bewohnerin, Käte K., habe ihr vor ihrem Tod ihre Tagebücher und einige Fotos und Postkarten übergeben und dazu gesagt: „Vielleicht möchte sie ja noch jemand lesen.“ Angehörige gebe es nicht mehr. Sieben Tagebücher waren es, kleinformatig, jede Seite eng beschrieben – in Sütterlin, einer Schrift, die heute nur noch die Generation unserer Großeltern lesen kann.
Sieben Bücher in Sütterlin-Handschrift
Auch für Angelika Dudek war Sütterlin etwas ganz Neues. Um Kätes Geschichte lesen zu können, musste sie die Schrift entschlüsseln: Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort hat sie die Tagebücher transkribiert und aufgeschrieben. „Es war wie ein Puzzle aus Buchstaben“, erinnert sie sich. „Zuerst ging es nur mühsam voran, und ich habe den Sinn der Sätze nur langsam verstanden. Wir hatten noch kein Internet, heute wäre die Transkription leichter.“
Abtauchen in die Vergangenheit
Die Begeisterung für Kätes Geschichte trieb sie an: „Ich bin völlig eingetaucht in diese andere Zeit, diese andere Welt – vor allem aber in den Menschen Käte und ihre Empfindungen. Beim Lesen habe ich mich oft gefragt, ob die Gefühlswelt junger Menschen vor einhundert Jahren eine völlig andere war als heute.
Was sind schon hundert Jahre?
Mit ihrer Begeisterung stand Angelika Dudek nicht allein da: „Ich habe damals in der Mittagspause oft meinen Kolleginnen in der PR-Agentur aus Kätes Tagebüchern vorgelesen“, erzählt sie. „Alle fieberten mit und wollten immer wissen, wie es mit Käte weiterging.“
Ein Tagebuch als Geschenk vom Vater
Die sechzehnjährige Käte lebt mit ihren Eltern und Geschwistern in Volksdorf. 1923 bekommt sie von ihrem Vater ein kleines Buch geschenkt: „Für Menschen, Dinge und Tage, die dir lieb sind oder werden“. Diesem Büchlein vertraut sich Käte an: Lebendig erzählt sie von ihrem Schulalltag in Eimsbüttel und ihren Freunden, vom Singen und vom Wandern, von ihrer ersten Fernreise in die Schweiz.
Tiefgründig und reflektiert setzt sie sich immer wieder mit sich und den Menschen um sie herum auseinander. Fast poetisch lesen sich ihre Naturbetrachtungen. Und natürlich geht es um die Irrungen und Wirrungen der Liebe: Von Gerhard erzählt Käte und seiner unerwiderten Liebe zu ihr. Von Ludwig, den sie zärtlich „Luden“ nennt und dem sie ihr ganzes Leben lang zugetan sein wird. Von Max, der ihr auf ihrer ersten Auslandsreise begegnet und sie im Sturm erobert. „Warum muss ich denn lieben?“ macht sie ihren starken Gefühlen Luft.
Die Fortsetzung ist in Arbeit
Käte K.s Geschichte geht weiter: Das vorliegende Buch umfasst nur die Jahre 1923 bis 1925. „Käte führte bis 1942 Tagebuch“, berichtet Angelika Dudek, „die Fortsetzung ist in Arbeit“.
Das Buch „Warum muss ich denn lieben?“ ist unter der ISBN 978-3756552399 im Buchhandel erhältlich oder online bei epubli, es kostet 16 Euro.
Last modified: 8. Februar 2023