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Erinnerung an eine beeindruckende Frau

3. August 2022

Hilde Wulff: Vor 50 Jahren starb die Gründerin des Erlenbusch

VOLKSDORF Hilde Wulff kam 1898 zur Welt und wuchs in einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie im Ruhrgebiet auf. Als Dreijährige erkrankte sie an Kinderlähmung, war immer auf einen Rollstuhl angewiesen und beschloss deshalb, ihr Leben körperbehinderten Kindern zu widmen. Den 1935 von ihr gegründeten Erlenbusch im Klosterwisch in Volksdorf leitete sie bis 1964. Hilde Wulff wohnte dort bis zu ihrem Lebensende 1972.

Von Matthias Damm

Dass Hilde Wulff überhaupt eine Schulausbildung genoss, war Anfang des 20. Jahrhunderts alles andere als selbstverständlich, denn für körperbehinderte Kinder bestand damals keine Schulpflicht. Erst als 15-Jährige bekam sie privaten Unterricht, mal in der Klinik, mal im Elternhaus. Und auch ihre weitere Ausbildung zur – wie es damals hieß – Jugendwohlfahrtspflegerin musste sie gegen den Willen ihres Vaters durchsetzen. Dieser Durchsetzungswille vor dem Hintergrund ihrer eigenen Krankheit und der Abschluss ihrer Ausbildung waren der Grundstein für das Lebenswerk von Hilde Wulff: Unterstützung und pädagogische Betreuung für körperbehinderte Kinder anzubieten.

„Kommt sofort zurück zu Tante Hilde“

Bereits Anfang der 1930er-Jahre bezog sie mit zwanzig körperbehinderten und verhaltensauffälligen Kindern eine Villa in Berlin Charlottenburg. Sie erkannte aber rechtzeitig die Zeichen der Zeit und die Gefahr für ihre Schützlinge durch die Nazionalsozialisten. 1935 zog sie mit den Kindern und dem Personal nach Hamburg Volksdorf in den Erlenbusch – so nannte sie das Klöppersche Landhaus am Klosterwisch, das sie kurz zuvor aus dem Erbe ihres Vaters erworben hatte. Dass die Sorge berechtigt war und der Umzug Leben rettete, erzählt folgende Anekdote (Quelle: Ulla Pietsch, Erlenbusch Bote): „Aus der befreundeten Familie Großmann in Berlin verbringen 1937 die Söhne Peter und Hans-Jürgen ihre Ferien bei Tante Hilde im Erlenbusch. Peters Rückreise nach Berlin endet aber bereits am Hamburger Hauptbahnhof mit der Durchsage: „Achtung Peter, steig nicht in den Zug, kommt sofort zurück zu Tante Hilde.“ Freunde hatten Hilde Wulff im letzten Augenblick gewarnt, dass die Gestapo schon auf Peters Ankunft in Berlin wartete, denn sein Vater war verhaftet und ins KZ Sachsenhausen gebracht worden.

Hilde Wulff wurde von allen Mitarbeitern hoch geschätzt und wegen ihrer liebevollen, anpackenden und zugewandten Art auf Händen getragen – von einem jungen Mann sogar buchstäblich: „Ich war von 1970 bis 1972 Zivildienstleistender im Erlenbusch. Zu dieser Zeit hatte Hilde Wulff die Heimleitung bereits an Ruth Lüsebrink übergeben und bewohnte das Erdgeschoss der Villa. Ich erinnere mich gut, dass ich nicht nur die Kinder, sondern auch Hilde Wulff gelegentlich in ihren Rollstuhl getragen habe. Diese zierliche Person war durch ihre Geschichte und ihr Lebenswerk eine beeindruckende Frau und genoss eine große Zuneigung“, erzählt Thomas Kroeber. Vor 50 Jahren, am 23. Juli 1972, starb Hilde Wulff. Ihre letzten Worte waren: „Grüßen Sie mir die Kinder!“

Zivi Thomas Kroeber 1971 mit den Kindern Anja, Helga und Tanja. Foto: Ruth Lüsebrink

Last modified: 3. August 2022

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