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Mit dem Rücken an der Wand

17. Juli 2021

Schuldnerberatung vom Deutschen Roten Kreuz leistet Erste Hilfe bei Finanzen

ALSTERTAL/ WALDDÖRFER Wenn die Ausgaben die Einnahmen dauerhaft übersteigen, hat man ein Problem: Man gerät in die Schuldenfalle. Raten abzahlen, Miete begleichen, Wasser- und Stromkosten berappen – alles schwierig bis unmöglich. Vor allem Corona trägt bei vielen dazu bei, dass sie nicht mehr weiterwissen. Was ist zu tun? Ein Gespräch mit Eva Müffelmann, Leiterin der Schuldnerberatung vom DRK am Behrmannplatz 3 in Lokstedt.

Von Anja Krenz

Heimat-Echo: Frau Müffelmann, wer kann zu Ihnen kommen?
Eva Müffelmann:
Alle Hamburger aus allen Stadtteilen.

Und welche Menschen nutzen das Angebot?
Das sind diejenigen, die die Sache endlich anpacken möchten, die den Berg an Schulden weghaben, bezahlen oder es über ein Insolvenzverfahren regeln möchten. Fragen zu Kontopfändungen haben wir sehr viele und absolute Notsituationen mit Primärschulden, wenn z. B. die Miete nicht bezahlt werden kann.

Was sind die Gründe für derlei Notsituationen?
In der Regel sind es externe Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Trennung, Scheidung oder auch Tod des Partners, Krankheit, und auch die gescheiterte Selbstständigkeit gehört zu den Gründen. Das Problem ist nicht, dass die Menschen zu lange weggucken, sondern dass sie lange, lange versuchen, das zu regeln und sich selbst zu helfen. Das ist einfach erstmal bewundernswert.

Die Menschen sollten also lieber früher zu Ihnen kommen?
Ja, weil es einfach dann darum geht zu gucken, woran es liegt. Wenn man zum Beispiel erst den Bankkredit bedient, und dann nicht mehr weiß, wie man die Miete zahlen soll oder was man noch zu essen hat. Für den Schuldnerberater ist aber ganz klar: Existenzsicherung steht an erster Stelle. Für uns ist wichtig, dass es den Menschen trotz Schulden gutgeht – vor allem psychisch.

Geht es vielfach in die Privatinsolvenz oder kann man das noch abwenden?
Es gibt immer drei Möglichkeiten. Ich kann sagen: Obwohl ich gut beraten wurde, lebe ich mit den Schulden. Ich kann meine Schulden abbezahlen, wenn ich die Mittel oder jemand Drittes habe. Oder ich kann für mich das Recht der Insolvenz in Anspruch nehmen, das es für Privatmenschen erst seit 1999 gibt.

Das ist dann ja im Grunde der einfachste Weg, seinen Schuldenberg loszuwerden…
Das ist eine der Möglichkeiten. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich noch keinen gesehen habe, der hier reingetanzt ist und gesagt hat, wie leicht das alles ist. Das Scheitern betrachten wir ja grundsätzlich nicht als positiv.

Was sollte ich parat haben, um Ihre Fragen beantworten zu können?
Wenn man nicht psychisch daran zerbricht, sollte man eine ungefähre Aufstellung darüber haben, wie hoch die Einnahmen, die Ausgaben und die Schulden sind und wie viele Gläubiger man hat. Man sollte für sich klären, ob man mit seinem Geld auskommt oder jeden Monat den Dispo nutzt, der dafür auf Dauer nicht gedacht ist.

Bin ich schon ein Kandidat für Sie, wenn ich regelmäßig im Dispo bin?
Nein. Dann sollte ich mich erstmal fragen, ob ich nicht Einsparungspotential entdecke, zum Beispiel Versicherungen.

Ist die Zahl der Hilfesuchenden durch Corona gestiegen?
Ja, das merken wir an unserer Warteliste. Schon 2020 hatten wir vermehrt Anrufe von Privatleuten, die sich im ersten Lockdown mit ihren Unterlagen auseinandergesetzt haben. Es wird noch dauern, bis wir tatsächlich von einem stärkeren Corona-Einfluss reden können. Denn die meisten gucken, ob sie nicht vielleicht doch noch eine Rücklage haben, die sie anzapfen können.

Gibt es „klassische Corona-Opfer“?
Ja, die, die in Kurzarbeit waren, die, deren Selbstständigkeit dadurch nichts geworden ist oder die Freiberufler, die keinen anderen Job gefunden und keine Hilfen bekommen haben. Die meisten versuchen aber jetzt, ihr Business wieder auf die Beine zu stellen. Ab diesem Jahr wird sich zeigen, wer es schaffen wird und wer nicht. Viele Kleinselbstständige haben erstmal ihre Altersrücklage aufgebraucht, weil sie nicht Hartz IV beantragen wollten. Das ist ein großes Problem, das auf uns zurollt.

Erste-Hilfe-Tipps in finanzieller Schieflage

Immer das zuerst bezahlen, was wesentlich für die Existenz ist: Miete, Strom und Wasser

Ein Haushaltsbuch führen, um zu sehen, wo das Geld landet

Post öffnen – selbst oder von zusammen mit einer Vertrauensperson

Übersicht verschaffen: Unterlagen sortieren, Ablage machen

Einnahmen-/ Ausgabenliste sowie Schulden- und Gläubigerliste erstellen

Nicht lange versuchen, ein Loch mit dem anderen zu stopfen, sondern Hilfe suchen, z. B. DRK-Schuldnerberatung anrufen unter Tel: 55420121 (Mo, Di, Do, Fr, 9 bis 14 Uhr)

Eva Müffelmann, Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung am Behrmannplatz 3. Foto: Fotostudio Eimsbüttel Fred Willenbrock
Eva Müffelmann, Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung am Behrmannplatz 3. Foto: Fotostudio Eimsbüttel Fred Willenbrock

Last modified: 15. Juli 2021

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