Willkommen in den Walddörfern und im Alstertal

„Das Dorf wird sich verändern“

17. Februar 2021

VOLKSDORF Das Dorf ist gemütlich, verfügt über ein vielfältiges Angebot und wird deshalb gerne sowohl von Anwohnern als auch von Kunden aus den umliegenden Stadtteilen aufgesucht. Doch die Idylle ist bedroht: Der zweite Lockdown stürzt die meisten Händler in existenzielle Sorgen.

Von Anja Krenz

Die Nachricht über die Vertagung des Projekts „Autoarmes Volksdorf“ sorgt, vor allem in der aktuellen Situation, für Erleichterung. Dennoch hat das „Ladensterben“ bereits begonnen, denn die Douglas-Filiale und auch die Post werden in kommenden Monaten schließen. Schuhkay wurde unlängst leergeräumt und dichtgemacht. Viele der kleinen inhabergeführten Läden halten noch durch, obwohl alle massive Umsatzeinbrüche hinnehmen müsse.

Das Heimat-Echo hat bei den Händlern, aber auch bei den Kunden nachgefragt: Was wird aus dem Einkaufsstandort Volksdorf?

Barbara Schmidt, Filialleiterin der Lerche in den Walddörfern in Volksdorf

Wir hören, dass
es großartig ist, dass wir hier sind“

„Mental ist es aushaltbar, aber sehr schwierig, wenn man von der Politik nicht so entschädigt wird, wie man das müsste. Wir warten seit mehreren Monaten auf die Einhaltung der Versprechen, die uns gemacht wurden“, sagt Barbara Schmidt, Filialleiterin der Lerche in den Walddörfern. Sie und ihre Kollegen sind in Kurzarbeit und überwiegend freigestellt. „Das ist keine Situation, mit der man umgehen kann“, sagt Schmidt. Man verzichte auf einen Teil seines Gehaltes und dürfe nicht das tun, was man gerne tut: „Für die Leute da sein.“ Zusammen mit dem Auszubildenden macht sie Click & Collect. Vor allem fürs Homeschooling werde vom Druckerpapier bis zum Schulheft vieles nachgefragt. „Deshalb verstehe ich auch nicht, warum Schreibwarenläden geschlossen werden, da wir doch wirklich für den täglichen Bedarf da sind.“ Der aktuelle Umsatz decke keinerlei Kosten. „Das ist einfach nur ein reiner Service am Kunden.“ Schmidt glaubt nicht, dass die Schließungen einen Einfluss auf den Kundenstrom haben werden. Im Gegenteil: „Der Zufluss wird wieder stärker werden. Die Unterstützung ist hier sehr groß. Wir hören jeden Tag, dass es großartig ist, dass wir hier sind, dass man gerne kommt, gerne im Handel kauft.“ Für die Zukunft wünscht sie sich, dass die neuen Geschäften dem Standort und den Volksdorfern gerecht werden. Und eine Hoffnung hegt sie noch: „Vielleicht werden mal alle klug und lassen die großen Online-Firmen, die uns schaden, beiseite.“
Barbara Schmidt, Filialleiterin der Lerche in den Walddörfern, Claus-Ferck-Str. 7, Tel. 6034529

Heike Schwarcke, Mattis Männermode in Volksdorf

„Durch die Lücken wird sich das Dorf verändern“

„Die Schließungen sind für das Dorf sehr schwierig. Wir befürchten, dass der Kundenstrom sich verändern wird – und zwar in die negative Richtung“, sagt Heicke Schwarcke, Inhaberin von Mattis Männermode. Auch dass die Post zumachen wird, treibt sie um, da die Kunden ihre Pakete woanders abgeben müssen und den Volksdorfer Ortskern vielleicht links liegen lassen. Seit Herbst konnte sie noch keine staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen. Trotz der treuen Kundschaft reiche das, was sie mit Click & Collect erwirtschafte, gerade aus, um die Unkosten zu decken. Schwarcke betont, dass sie für die Corona-Maßnahmen vollstes Verständnis habe: „Die Gesundheit geht vor. Dennoch müssen jetzt langfristige Perspektiven entwickelt werden, damit wir nicht von einem Lockdown in den nächsten schlittern.“ Wofür sie kein Verständnis hat: „Zum Beispiel, wenn von Hilfen die Rede ist, unterm Strich aber Kredite gemeint sind.“

Heike Schwarcke, Mattis Männermode, Claus-Ferck-Str. 1a, Tel. 64419103, heike@mattis-mm.de

Giesela Jantzen von J + K in Volksdorf

Gisela Jantzen verkauft jetzt Wundertüten

„Wir verzeichnen einen enormen Umsatzeinbruch. Trotzdem haben wir treue Kunden, die den kleinen Einzelhandel hier unterstützen möchten“, sagt Gisela Jantzen vom Modegeschäft . Privat lebt sie seit der Corona-Krise von ihren Ersparnissen. In ihrem Laden stapeln sich die Kartons mit der Frühlings- und Sommerware. „Alles, was ich geordert habe, muss ich abnehmen und bezahlen.“ Doch bevor sie die Kartons ausräumt, muss erstmal die Winterbekleidung raus. Aktuell bietet sie „Wundertüten“ an. „Auf die Idee hat mich ein Fabrikant gebracht, der erzählte, dass andere Ladenbesitzer damit große Erfolge erzielen.“ Für 100 Euro erhält man bei ihr einen Mix aus aktueller Winterware im Wert von 220 Euro – in der passenden Größe und, so möglich, auch in der Wunschfarbe. Wie immer bei Click & Collect nach vorherigem Anruf oder E-Mail. Die Schließungen von Douglas und Schuhkay bedauert sie sehr.

Gisela Jantzen, Modegeschäft J + K, Claus-Ferck-Str. 4 – 6, Tel. 6032205,
g.jantzen@hamburg.de

Sabine Töpfer von der Blumenbinderei Töpfer in Volksdorf

„Bald fehlen in Volksdorf Kundenmagnete“

„Die Schließungen sind katastrophal“, sagt Sabine Töpfer von der gleichnamigen Blumenbinderei. „Das wird auf jeden Fall schlecht sein für Volksdorf, weil es Magnete sind, die dann fehlen. Die Leute wandern ins AEZ ab, wo sie alles bekommen. Man weiß ja nicht, wer wieder in diese Geschäfte reingeht. Es müsste etwas vergleichbar Attraktives sein. Die Volksdorfer lieben ja ihr Volksdorf, aber sie lieben auch ihr Douglas. Und wo sollen die Mütter mit ihren Kindern hingehen und Schuhe kaufen? Oder die älteren Herrschaften, die jahrelang immer zu Schuhkay gegangen sind? Das ist sehr, sehr schwierig. Und wenn dann auch noch die Post weggeht, ist es noch schwieriger.“ Trotz des Lockdowns kommt Sabine Töpfer einigermaßen über die Runden. „Glücklicherweise sind unsere Kunden wirklich nett und machen den Firlefanz mit: Dass sie nicht vor der Tür sagen dürfen, was sie brauchen, was ich sehr albern finde. Und dadurch geht es. Es ist natürlich nicht, wie’s sein soll, aber es ist okay.“

Sabine Töpfer, Blumenbinderei Töpfer, Im Alten Dorfe 23, Tel. 27862050

… und das sagen Kunden:

Annette Klinkenberg

„Ich hoffe auf ein Schuhgeschäft und eine Parfumerie“

Annette Klinkenberg und ihre Familie kaufen gern im Dorf. Sie hofft, dass sich wieder ein Schuhgeschäft und eine Parfümerie ansiedeln. „Volksdorf lebt durch seinen kleinen, geschlossenen Ortskern mit den schönen Geschäften.
Und im Moment sieht es ja so aus, als wenn die inhabergeführten Geschäfte bestehen bleiben. Auch wenn niemand gern zur Post geht, tut es mir für die Leute leid, die digital nicht so mobil und darauf angewiesen sind, ihre Dinge vor Ort zu regeln.“

Jutta Köllner

„Geschäftsinhaber zu kennen ist Lebensqualität“

Seit 20 Jahren wohnt Jutta Köllner in Volksdorf und findet die Schuhkay-Schließung als „megaschade. Ich fand es praktisch, dass man nicht in die Stadt fahren muss und auch nicht unbedingt ins AEZ.“ Sie wünscht sich, dass zumindest ein anderer Schuhladen in die Ladenfläche einzieht. Alles im Dorf zu haben, was man braucht, sei gut – gerade dann, wenn man irgendwann nicht mehr Autofahren könne. „Auch die Inhaber zu kennen, ist Lebensqualität und ein Grund, warum man hier wohnt.“

Inge und Pieter Kunstreich

„Wenn wir etwas brauchen, kaufen wir es hier“

„Traurig ist das! Nicht nur die Innenstadt verödet – das kommt jetzt hier genauso“, sagt Inge Kunstreich, die mit ihrem Mann Pieter Kunstreich den Ortskern schätzt. Obwohl sie die Maßnahmen richtig finde, sei der Lockdown für die Geschäftsleute furchtbar. „Schuhkay war das einzige Schuhgeschäft hier. Ich hab da häufiger gekauft“, bedauert sie die Schließung. „Ich befürchte, dass das nicht die letzte ist. Wenn wir etwas brauchen, kaufen wir das hier. Und wenn es das hier nicht gibt, dann brauchen wir das auch nicht!“

Last modified: 24. November 2021

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