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Schule: Lieber kalt als gar nicht

28. Oktober 2020

Immer wieder Querlüften: Wie Schulen mit den neuen Regeln zurechtkommen

SASEL/ POPPENBÜTTEL Seit dem 19. Oktober gelten neue Regeln in den Schulen: Oberstufenschüler und ihre Lehrer müssen auch im Unterricht Masken tragen. Und es muss regelmäßig quergelüftet werden: Vor und nach der Unterrichtsstunde sowie einmal mittendrin für fünf Minuten. Noch sind die Außentemperaturen erträglich, doch der Winter ist nicht mehr weit. Das Heimat-Echo hat in allgemeinbildenden Schulen nachgefragt, wie es mit der Umsetzung der neuen Verordnungen klappt.

Gunnar Hümme, Schulleiter der Ganztagsgrundschule Redder in Sasel: „Bei uns klappt es hervorragend mit dem Lüften, weil wir alle an einem Strang ziehen. Wir haben gemeinsam ein Konzept entwickelt, an das sich alle halten. Die Eltern waren durch den Einsatz des Elternrates in viele Entscheidungen eingebunden. Praktisch sieht es so aus, dass wir alle gleichzeitig die Fenster und Türen öffnen, sodass in der Schule ein Kamineffekt entsteht. In allen Räumen lassen sich alle Fenster kippen und jeweils eines komplett öffnen – das wird immer von einer Lehrkraft bewacht, sodass kein Kind herausfallen kann. Gegen die Kälte empfehlen wir den Zwiebellook, Decken sind auch erlaubt, genau wie das Tragen von Jacken, Mützen und Schals im Unterricht. Obwohl es in Grundschulen nach wie vor keine Maskenpflicht gibt, haben wir auf Wunsch vieler Eltern und Kollegen die Empfehlung ausgesprochen, und viele Kinder tragen im Gebäude und auch draußen ihre Maske. Der Grund dafür: Sowohl unter den Kindern, als auch im Kollegium gibt es Risikopatienten, die wir zusammen schützen möchten.

Problematisch: Die Lüftungsregeln rauben uns Unterrichtszeit. Wenn mitten in der Schulstunde gelüftet werden muss, sind die Kinder für fünf Minuten nicht so konzentriert. Diese Zeit addiert sich, und die Eltern erwarten natürlich, dass wir den Stoff trotzdem vermitteln. Für eine zusätzliche Schulstunde, die dies kompensieren könnte, fehlt es uns an Personal. Das wird ebenfalls zu Engpässen führen, wenn die normale Erkältungswelle anläuft.

Schulleiter Gunnar Hümme mit Sommerhemd im Oktober. Für den Winter empfiehlt er den Zwiebellook Foto: A. Krenz

Zwiebellook gegen die Kälte

Eine kranke Lehrerin können wir ersetzen, bei zweien wird es schon schwer. Dann übernimmt eine Kollegin die Aufsicht über zwei Klassen, die direkt nebeneinander liegen. Das ist nur möglich, wenn die Kinder Arbeitsaufträge bekommen.
In unserer Mensa können aufgrund der räumlichen Gegebenheiten mit Abstand und bei offenen Fenstern und Türen sogar zwei Klassen aus verschieden Kohorten von einer Lehrkraft beaufsichtigt werden. Da die Lehrerinnen wenig Erholungszeit haben, ist ihnen die Erschöpfung schon anzumerken. In den großen Pausen haben sie nur ca. fünf Minuten für sich – wenig Zeit für einen Toilettengang und einen Schluck Kaffee. Davor und danach sind sie damit beschäftigt, zu lüften und die Kinder in die Pause bzw. wieder ins Gebäude zu führen. Denn nach der großen Pause ist erstmal Händewaschen angesagt – genau wie morgens vorm Unterrichtsbeginn und vor und nach der Mittagspause. Für die Umsetzung der Verordnungen geht also viel Zeit drauf. Aber wenn diese auf Empfehlungen der Wissenschaftler beruhen, dann halten wir uns dran! Eine weitere Schulschließung ist unbedingt zu vermeiden. Die Kinder sind glücklich, dass sie wieder zusammen unterrichtet werden. Und das freut auch unsere Lehrkräfte. Das Zuhausebleiben hat vielen nicht gut getan, weil das soziale Miteinander fehlte. Deshalb lüften wir. Lieber kalt als gar nicht – das ist meine Einstellung!“

Katrin Brandenburg, stellvertretende Schulleiterin am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Poppenbüttel: „Wir kämpfen noch ein bisschen mit den neuen Lüftungsregeln: Im Gegensatz zu Grundschülern, die oft den ganzen Tag in ihrem Klassenzimmer verbringen, wechseln viele unserer Schüler nach jeder Stunde bzw. Doppelstunde den Raum. Die Lüftungssituation in unseren Räumlichkeiten ist sehr unterschiedlich. In manchen funktioniert es gut – da kann ich als Lehrerin sogar weitersprechen, während ich mit zwei Handgriffen die Tür und anschließend das Fenster öffne. Aber in manchen Räumen müssen Tische weggerückt oder die oberen Klappfenster mit Kurbeln geöffnet werden – das schafft natürlich Unruhe. Die Umsetzung der Regeln muss also aktuell noch individuell gelöst werden und erfordert ein hohes Maß an Disziplin. Aus den Rückmeldungen der Kollegen werden wir ein Lüftungskonzept erstellen, in das wir auch Schüler und Eltern einbeziehen möchten. In Anbetracht der Dramatik zieht die Schülerschaft mit uns an einem Strang, auch weil wir immer wieder betonen: Wir möchten das nicht, wir müssen! Weil es um den Schutz der Risikopatienten unter uns geht. Problematisch: Es gibt derzeit zu wenig Aufenthaltsorte in unserer Schule. Da wir gerade sanieren müssen, stehen auf dem Unterstufen-Schulhof einige Container. Das ist vor allem für unsere Kleinen schwer, da nur wenig Platz zum Fußballspielen und Toben ist. Einige Highlights wie die Klassenreisen der Fünftklässler oder die beliebte Ski-Reise der 10. Jahrgänge entfallen. Wir proben für Theateraufführungen und fürs Weihnachtskonzert, ohne zu wissen, ob es Aufführungen geben darf. Jeder steht mehr unter Druck und Stress – auch die Schüler. Die bekommen zu Hause teils die existenziellen Nöte ihrer Eltern mit. Und obwohl man immer aufpassen muss, was man macht und wie, ist uns wichtig zu vermitteln: Das Leben besteht nicht nur aus Corona! Sollte es dennoch Gesprächsbedarf geben, ist dafür Raum im Klassenrat. Dort können die Schüler über Corona sprechen und eventuelle Ängste artikulieren.


Ich persönlich finde: Es ist ein wichtiger Auftrag, Gelassenheit, Ruhe und Sicherheit zu vermitteln, um gut agieren zu können. Die beste Waffe gegen Corona ist, dass wir eine Gemeinschaft bleiben. Ich bin dankbar, an einer Schule zu sein, an der Menschlichkeit, Solidarität und gegenseitiges Verstehen herrschen. Auch gibt es bei uns eine gesunde Konflikt- und Streitkultur. Wir kommen immer wieder zusammen – darin sind wir echt gut!“

Kathrin Brandenburg vom CvO
Katrin Brandenburg vom CvO: „Die beste Waffe gegen Corona ist, dass wir eine Gemeinschaft bleiben.“ Foto: Anja Krenz

Dorothee Wohlers, Schulleiterin der Stadtteilschule Poppenbüttel: „Es ist besser machbar, als man sich das anfänglich vorstellen konnte. In jedem unserer Unterrichtsräume am Hauptstandort gab es bislang nur ein Fenster, das sich ganz öffnen ließ – das sogenannte Notausstiegsfenster. Wir haben dafür gesorgt, dass pro Raum zwei weitere Fenster, die sich vorher nur kippen ließen, nun ebenfalls ganz geöffnet werden können. Daher ist ein Schocklüften gut möglich.

Die Umsetzung der neuen Regeln haben meine Kollegen toll organisiert: Die meisten haben Fensterdienste eingerichtet mit nur wenigen verantwortlichen Schülern, die fürs rechtzeitige Lüften zuständig sind. Das geht, stellte ich bei einem Unterrichtsbesuch fest, recht leise vonstatten. Die Schüler sind meist kooperativ und akzeptieren die Regeln. An das Abstandhalten innerhalb der Kohorte, in der sie sich sicher fühlen, muss allerdings appelliert werden.
Dem Winter blicken wir mit Achtsamkeit und Respekt entgegen. Wird er mild, ist es machbar. Wird er frostig, müssen wir das neu erproben. Angst haben wir davor nicht. Die Schule soll für alle ein sicherer Ort und vor allem geöffnet bleiben. Ein erneuter Distanzunterricht wäre für die Kinder nicht gut und für die Lehrkräfte und Eltern eine immense Belastung. Ich wünsche mir ein verantwortungsvolles und solidarisches Handeln, beim dem man aufeinander achtgibt und rücksichtsvoll ist.“

Dorothee Wohlers von der Stadtteilschule Poppenbütte
Dorothee Wohlers, Stadtteilschule Poppenbüttel: „Unsere Schüler dürfen ihre Jacken jetzt im Unterricht anbehalten. Das war vorher nicht erlaubt.“ Foto: Anja Krenz

von Anja Krenz

Last modified: 17. Dezember 2020

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