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Raus aus der Stadt, ab nach Poppenbüttel

7. Oktober 2020

90 Jahre Heimgarten-Siedlung: Karin Vosz-Walensa (83) erzählt von den Anfängen des Quartiers für junge Familien

POPPENBÜTTEL Die Heimgarten-Siedlung in Poppenbüttel wird in diesem Jahr 90 Jahre alt. 1930 war das Quartier zwischen Harksheider Straße, Kiwittredder Sandkuhlenkoppel und Kupferteichweg ein angesagtes Neubaugebiet für junge Hamburger Familien. Auch der Großvater von Karin Vosz-Walensa (83) wollte damals nur eins: raus aus dem trubeligen Eimsbüttel, ab nach Poppenbüttel. Auf den Koppeln des Gut Henneberg sollte ein Paradies für Kinder und ein Neuanfang für ihre Eltern entstehen. Es wurde ein Ort, an dem die Gemeinschaft zählt.

Von Matthias Damm

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In der Heimgarten-Siedlung fanden die Kinder schnell Anschluss. Toben, zelten, Spaß haben – herrlich! Foto: privat

Wenn sich in der Heimgarten-Siedlung in Poppenbüttel jemand auskennt, dann Karin Vosz-Walensa. Seit ihrer Geburt im Oktober 1937 wohnt sie fast durchgehend auf demselben Grundstück am Kiwittredder. Die Familie mit drei älteren Geschwistern stammt ursprünglich aus Eimsbüttel, bis der Großvater wegen der vielen Unruhen in Hamburg in den 1920er-Jahren beschloss, dass die Kinder „von der Straße müssen“. Der Anfang einer langen Geschichte.

„Das war der Startpunkt für die Suche nach einem neuen Zuhause. Großvater fuhr raus aus der Stadt und bekam Kontakt mit der Alstertal Terrain Aktien Gesellschaft (ATAG) in Wellingsbüttel“, erzählt Karin Vosz-Walensa. Zwei Dinge waren bei der Suche von Vorteil: die Fertigstellung der S-Bahn-Linie nach Poppenbüttel und die Tatsache, dass viele Gutsbetriebe vor der Stadt durch die Abwanderung von Landarbeitern unwirtschaftlich wurden. So erfuhr der Großvater, dass das Gut Henneberg in Poppenbüttel Koppeln verkaufen wollte. Das sprach sich unter vielen Gleichgesinnten mit jungen Familien in der Hansestadt herum, man schloss sich zu einer Interessengemeinschaft zusammen und gründete am 17. September 1930 den Verein „Heimgartenkolonie Poppenbüttel“.„Neben den neuen vier Wänden waren die Familien aber auch an Landerwerb interessiert, um sich in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten selbst versorgen zu können. So kam es dann zum Kauf der einzelnen Parzellen, die damals 0,50 Reichsmark pro Quadratmeter kosteten“, berichtet Karin Vosz-Walensa. „Und wie es sich für einen richtigen Verein gehört, wurde neben Vorsitz, Kassenwart und Schriftführer auch ein Gartenausschuss gewählt und die Überwachung des Laubenbaus beschlossen. Für die Wasserversorgung installierte die Gemeinschaft eine Gemeinschaftspumpe. Die Mitgliedschaft betrug sechs Reichsmark pro Jahr.“

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Besonders junge Familien zogen aus der Hamburger Innenstadt nach Poppenbüttel. Dort wurde Gemeinschaft gelebt Foto: privat

Einfache Holzlauben und Häuser aus Stein

Es entstanden einfache Holzlauben und Häuser aus Stein. „Mein Vater war Maurer und gelegentlich arbeitslos. In den Zeiten wurde dann viel am Haus gebaut, sogar ein Keller ausgehoben“, weiß Karin Vosz-Walensa aus Erzählungen. Ihre Kindheit beschreibt sie als großartig, das Spielen in den Gärten und in der Hummelsbütteler Feldmark sei traumhaft gewesen. Mitten im Zweiten Weltkrieg dann die Einschulung mit 56 Kindern in einer Klasse, wobei die Zugereisten und Ausgebombten bei den Bauernkindern in Poppenbüttel einen schweren Stand hatten. Viele kleine Geschäfte hatten sich in unmittelbarer Umgebung angesiedelt und dort, wo heute mitten im Quartier das Restaurant „Athen“ als Treffpunkt der verbliebenen Vereinsmitglieder dient, war damals ein Tante Emma Laden, später die PRO. „Nach Kriegsende gab es endlich auch Strom und ab 1952 fließendes Wasser. „Mein Vater hatte in den 1950er-Jahren als Maurer gut zu tun und fuhr die weitesten Wege mit dem Fahrrad zum Job. Das war damals üblich. Von Poppenbüttel nach Bergedorf zum Beispiel, das sind 35 Kilometer.“

Anfang der 1960er-Jahre begannen geschäftstüchtige Baustoffhändler den feinen Sandboden auf den Koppeln in der Feldmark abzubauen. „Zehn Jahre fuhren hier Karawanen von Sandtransportern durch den Kiwittredder. Danach verfüllte die Stadt die Kuhlen mit Hausmüll – wieder zehn Jahre Lkw-Verkehr, das war eine echte Belastung“, erzählt Vosz-Walensa. Später wurde alles mit Erdreich abgedeckt, es entstanden die Müllberge, die heute als Freizeitgebiet mit dem Hummelsee sehr geschätzt werden. Viele Jahrzehnte gab es im Verein einen großen Zusammenhalt. Man feierte einen Oster- und einen Weihnachtsball und Laternenumzüge. 1965 ging Karin Vosz-Walensa mit ihrem Mann für fünf Jahre nach Kanada, 1970 kam ihr Sohn zur Welt. Heute wohnen drei Generationen auf dem Grundstück am Kiwittredder.

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Stein auf Stein: Beim Bau der Siedlung halfen alle mit Foto: privat

Man schätzt die gute Nachbarschaft

Das üppige Grün, die ruhigen Straßen im Heimgarten Quartier und die gute Anbindung waren für viele junge Familien der Grund, hierher zu ziehen. Neben den überwiegend noch kleinen alten Häusern auf kleinen Grundstücken gibt es auch einige Neubauten, die gut mit der alten Bebauung harmonieren. Es lebt sich angenehm, man schätzt die nachbarschaftliche Unterstützung und hofft, dass der Charakter der Siedlung auch in Zukunft erhalten bleibt. Geradezu idyllisch, wenn nicht direkt über die Siedlung von Nord-Osten her die Einflugschneise zum Hamburg Airport führen würde. Das war allerdings bei der Vereinsgründung vor 90 Jahren noch kein Thema.

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Karin Vosz-Walensa lebt seit 83 Jahren in der Siedlung in Poppenbüttel Foto: M. Damm
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Die Heimgartensiedlung grenzt am Kiwittredder an die Hummelsbütteler Feldmark Foto: M. Damm

Last modified: 17. Dezember 2020

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