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Enkeltrick-Betrüger setzen auf Corona

1. Oktober 2020

Vermeintliche Notfälle locken Senioren in die Falle

ALSTERTAL/WALDDÖRFER Aktuell geht ein neuer „Enkeltrick“ um. Betrüger locken Senioren in die Falle und behaupten, ein an Corona erkrankter Angehöriger zu sein. Nur eine 200.000 Euro teure Spritze könne ihr Leben retten. Ein 82-jähriger Leser ging nicht zur Bank, sondern zur Polizei.

Von Florian Büh

„Papa, ich bin auf der Intensivstation und habe Corona. Ich habe 40 Grad Fieber. Ich will nicht sterben.“ Mit diesen Worten hat sich in der vergangenen Woche ein Anrufer bei Heimat-Echo-Leser Friedrich Schröder (Name geändert) gemeldet. Er wurde gebeten, 200.000 Euro für eine rettende Spritze gegen die Corona-Erkrankung auszulegen. Dem 82-Jährigen schwante gleich: Hier stimmt was nicht. Er ging nicht zur Bank, sondern zur Polizei.

Genau richtig, sagt Jan Fedkenhauer, Leiter der Polizei in Poppenbüttel. „Laut Statistik hatten wir in unserem Einsatzgebiet bis Anfang September etwa 410 ähnlich gelagerte Betrugsdelikte. Dazu gehören unter anderem auch ‚falsche‘ Handwerker. 378 Fälle wurden über das Telefon angebahnt, 32 Mal kamen die Täter direkt an die Tür.“

Wichtig ist dem Polizisten: „Diese Zahlen, gezählt seit Anfang des Jahres, zeigen nur das sogenannte ,Hellfeld‘, also die Taten, die zur Anzeige gebracht wurden. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch höher. Viele Opfer schämen sich wohl, zur Polizei zu gehen.

„Leider waren mindestens drei Taten erfolgreich“, bilanziert Fedkenhauer. Wohl mehr als 300.000 Euro konnten von den Betrügern erschlichen werden, dazu Gold- und Schmuck. Leser Friedrich Schröder sagt: „Man muss bei solchen Anrufen rational bleiben. Doch das ist leichter gesagt als getan.“

Wachsamer Leser meldet sich direkt beim Heimatecho
Hamburg-Walddörfer: Dieser Mann möchte unerkannt bleiben. Er wurde Opfer eines betrügerischen Telefonanrufs. Es blieb aber beim Versucht Geld zu erbeuten
Foto: Florian Büh

Wer Friedrich Schröder aus den Walddörfern kennenlernt, merkt schnell: Mit dem 82-Jährigen, der noch in der Leitung einer international agierenden Firma tätig ist, haben sich die Betrüger wirklich den Falschen ausgesucht. Er scheint strukturiert, einordnend und sagt von sich selbst: „Ich bin der unangenehm hinterfragende Typ.“ Und genau diese Eigenschaft hat ihn wohl vor Schlimmerem bewahrt. Der ominöse Anruf, der bei Schröder gleich ein komisches Gefühl ausgelöst hatte, erreichte ihn gegen 14 Uhr. Eine weinerliche Stimme gab sich als sein Sohn aus und erzählte dann folgende Geschichte: „Es gibt eine Spritze, die mir helfen kann. Die ist in Deutschland aber nicht zugelassen. Ich brauche drei davon. Zusammen kosten sie 200.000 Euro. Kannst du das Geld für mich auslegen?“ Die erste Reaktion des Seniors: „Ich war geschockt! Obwohl ich ein Kopfmensch bin. Ich war einfach geschockt“, erzählt Schröder dem Heimat-Echo. Er verwickelte den Anrufer in ein Gespräch, fragte unter anderem nach dem Gesundheitszustand der anderen Familienmitglieder. Frau und Kindern gehe es gut, sie seien getrennt von ihm und negativ getestet worden, antwortete der vermeintliche Sohn. Bis hierher hätte die Geschichte tatsächlich stimmen können, allerdings:

„Deine Stimme klingt so komisch“

„Deine Stimme ist so komisch“, hinterfragte Friedrich Schröder. „Ich habe eine Maske auf. Papa, du stellst Fragen, schlimmer als die Polizei – und ich sterbe hier vielleicht!“, bekam er zur Antwort. Während der Betrüger noch um Worte rang, recherchierte Friedrich Schröders Ehefrau (80) parallel, wie man sich in solchen Fällen am besten verhält. Der Tipp: Den Anrufer nach dem eigenen Vornamen fragen. Der Plan ging auf. Nachdem der „Sohn“ diese Frage mehrmals mit „Schröder“ beantwortet hatte, legte er einfach auf.

Eine Nachfrage bei der Familie ergab: Alle sind wohlauf, niemand ist an Corona erkrankt oder in einer Notlage.
Friedrich Schröder schätzt, dass die Betrüger über einen Telefonbucheintrag auf ihn gekommen waren. „Wohlhabende Gegend, alt klingender Vorname – da wird etwas zu holen sein, dachten sie wohl“. Um den Betrügern das Handwerk zu legen und andere zu warnen, erstattete der 82-Jährige Anzeige bei der zuständigen Polizei in Poppenbüttel, geht an die Öffentlichkeit. Zudem hat er einige E-Mails geschrieben, um andere zu warnen: „Viele Freunde und Bekannte sind in meinem Alter. Nicht alle sind so fit wie ich. Es ist nicht auszudenken, was alles passieren könnte bei so einem Anruf. Jeder ist erst einmal geschockt, wenn den Liebsten angeblich etwas Schlimmes widerfahren ist. Es könnte ja sogar passieren, dass einer meiner Freunde am Telefon eine Herzattacke erleidet.“

Jan Fedkenhauer, Leiter der Polizeistation in Poppenbüttel, lobt die gute Reaktion des Ehepaars. „Wichtig ist: Immer und sofort die Polizei über den Notruf 110 anrufen. Beim kleinsten Verdacht.“ Wer mag, kann sich auch vertrauensvoll an seinen Stadtteilpolizisten wenden. Einer von ihnen ist Thomas Krug (56) aus Volksdorf.
Er hofft, dass es durch die umfangreiche Aufklärung bald weniger erfolgreiche Taten gibt.

Polizist Thomas Krug zeigt seinen Dienstausweis
„Polizeibeamte rufen niemals mit der Telefonnummer 110 an. Polizeibeamte fragen niemals nach Wertgegenständen oder Geldverstecken“, erklärt Thomas Krug
Foto: Florian Büh

„Es kann jedem passieren“

Wer glaubt: „Mir passiert das nie“, für den hält Jan Fedkenhauer ein ganz persönliches Erlebnis bereit: „Ich wurde von einem vermeintlichen Vertreter meines Telefonanbieters angerufen. Irgendetwas würde mit meinem digitalen Postfach nicht stimmen. Es würde helfen, wenn ich ihm mein Passwort sagen könnte. Instinktiv habe ich ihm zum Glück eine falsche Nummer gegeben. Doch ich war völlig in Gedanken. Später habe ich mich geärgert, dass ich überhaupt etwas gesagt habe. Aber die Anrufer sind so geschickt. Das kann jedem passieren.“

Das rät die Polizei
Gesundes Misstrauen ist am Telefon immer angebracht. Geben Sie an Unbekannte keine persönlichen Informationen heraus. Weder zum Familien- noch zum Kontostand. Es gibt sich jemand als Verwandter aus und es kommt Ihnen komisch vor? Dann fragen Sie nach Details, die nur Verwandte wissen können.

Last modified: 17. Dezember 2020

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