Wer hat jetzt das Kommando: Der Vierbeiner oder der Rudel-Chef?
ALSTERTAL / WALDDÖRFER Erst war Bello so knuddelig, so klein, so verspielt. Genau das Kuscheltier, das sich die Familie im Lockdown wie nichts anderes gewünscht hat. Spätestens jetzt in der Pubertät neigt er aber dazu, seinen eigenen Kopf durchzusetzen und Toleranzgrenzen zu verschieben. Da ist professionelle Unterstützung durch eine Hundeschule gefragt, denn schließlich soll das Pubertier als vierbeiniges Familienmitglied ja eine Bereicherung und keine Belastung werden. Das Wichtigste dabei ist Zeit für den Hund auf seinem Weg zum Teamplayer.
Von Matthias Damm
Es fällt auf, wie vielen neuen Vierbeinern man seit etwa zwei Jahren auf Spaziergängen begegnet. Aus den süßen Welpen sind jetzt kleine Rabauken geworden, die ihre Grenzen austesten und nicht selten ihre Besitzer verunsichern oder überfordern. Andrea Chillon vom „Hundetraining im Alstertal“ bestätigt das: „Viele haben sich nicht ausreichend informiert, wie sich ihr Hund entwickelt und wie man ihm schon frühzeitig die wichtigsten Verhaltensregeln durch klare Kommandos beibringt. Jetzt ist Bello ein Halbstarker, springt fremde Leute an, bellt ständig, oder hat große Probleme mit anderen Hunden. Eine Kollegin von mir schätzt, dass etwa die Hälfte aller in den letzten zwei Jahren angeschafften Hunde kein Ausbildung hat.“
Plötzlich wieder Büro statt Homeoffice
Verstärkt wird die Situation zusätzlich, wenn die Zeit für den Hund auf ein Minimum sinkt, weil zum Beispiel aus Homeoffice wieder Präsenz wird und die Kinder endlich wieder ihren Hobbies im Sportverein nachgehen können. Dann ist die Not groß und nicht selten heißt es: „So haben wir uns das nicht vorgestellt“. Die bittere Konsequenz: Der Hund muss die Familie verlassen oder bleibt ein unerzogener Rabauke und sorgt für viel Stress.
Die Verantwortung für den Hund liegt beim Menschen, deshalb sollten sich zukünftige Besitzer die Frage, ob sie unter allen Lebensumständen ausreichend Zeit für Trainings, Spaziergänge, zum Kuscheln und für Arztbesuche einplanen können, mit Ja beantworten können. Andrea Chillon weiß, dass die Grundlagen für ein gutes Mensch-Hunde-Gespann im Welpenalter gelegt werden: „Viele neue verantwortungsvolle Hundebesitzer bemühen sich schon früh um einen Platz im Hundetraining, bekommen aber oft erst nach einiger Wartezeit eine Zusage.“ Die erfahrene Hundetrainerin hat ihren Personalstamm in den letzten zwei Jahren auf sieben Trainer aufgestockt und ist immer noch weit davon entfernt, alle Nachfragen bedienen zu können: „Ich kenne eine Reihe von Hundebesitzern, die andere Trainings enttäuscht abgebrochen haben, weil zu viele Tiere gleichzeitig im Kurs waren und das meiste ausschließlich theoretisch gelehrt wurde.“ Sie steht für ein Hundetraining, das auf einem respektvollen, fairen und gewaltfreien Umgang mit dem Partner Hund basiert. Ihr Ziel: aus dem Besitzer und seiner Fellnase ein starkes Team zusammenzuschweißen, das den Alltag gemeinsam und mit viel Freude meistert.
Tipps für die Hundeerziehung
Fehlt ein Platz im professionellen Hundetraining, kann man die ersten Schritte auch erfolgreich in Eigeninitiative gehen. Im Internet gibt es eine Fülle von Ratschlägen, Büchern und Videos. Auch Andrea Chillon bietet neben den klassischen Trainings auf dem Hundeplatz Online-Trainings, Beratung und Live-Vorträge an: „Es ist leider so, dass es in Hamburg viel zu wenig Gelände für die Hundeausbildung gibt, sodass wir auch mit noch so vielen Trainern an unsere Grenzen stoßen. Solche Online-Angebote sind dann eine willkommene Alternative, zumindest für die ersten Schritte. Immer wieder wird aus der Politik auch ein genereller Hundeführerschein gefordert. Das kann man machen, aber dann müssen auch die Trainingsplätze zur Verfügung stehen.“ Fazit: Wenn nicht der Vierbeiner bestimmen soll, wo es lang geht, braucht es neben der Liebe zu dem Tier Zeit, Konsequenz und Geduld. Sei es auf dem Königsweg über eine Hundeschule oder in der Privatschule beim „Rudelchef“.
Last modified: 27. April 2022