Unterwegs mit der Kitzrettung in Bergstedt
BERGSTEDT Die Natur hat es im Prinzip perfekt eingerichtet: Ricken legen ihre neugeborenen Kitze zum Schutz in Wiesen und Feldern ab. Da die Jungtiere keine Eigenwitterung haben und sich nicht rühren, können sie von Feinden kaum aufgespürt werden. Drei bis vier Mal am Tag säugt die Ricke das Kitz – eigentlich ist alles gut in der Bambi-Welt. Wäre da nicht der Landwirt, der genau in der Zeit der Kitzgeburten seine Wiesen zum ersten Mal im Jahr mäht. Höchste Gefahr für die Kitze, die auch beim Anrollen einer Mähmaschine instinktiv liegen bleiben. Aber es gibt tatkräftige Hilfe, wie zum Beispiel die Kitzrettung Bergstedt.
Von Matthias Damm
7.30 Uhr am vergangenen Donnerstag. Ein herrlicher Morgen mit viel Sonne, kein Regen in Sicht: bestes Wetter zum Mähen der Wiesen und Gerstenfelder – und höchste Zeit für die Kitzretter. Einen Tag vorher wurde Jagdpächter Sebastian Frommé vom zuständigen Landwirt über den Mähtermin an diesem Vormittag informiert, kurze Zeit später folgte der Aufruf über seine WhatsApp-Gruppe, sich bitte für die Kitzrettung anzumelden. Die Bereitschaft ist enorm, denn nur Minuten später steht fest, dass wir mit zwölf engagierten Tierfreunden frühmorgens auf die Suche gehen werden. Treffpunkt ist an der Stadtteilschule Bergstedt, heute sind die Felder und Wiesen rund um die Schule dran.
Karin Cordes ist wie viele in der Gruppe schon länger dabei: „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man den Tieren helfen kann. Zwei Rettungen habe ich schon erlebt, die Kitze hätten ohne uns kaum eine Chance“, sagt die Bergstedterin. Sebastian Frommé, zusammen mit seiner Frau Mayleen Initiator der Kitzrettung Bergstedt, freut sich über die Frühaufsteher: „Für alle, die neu dabei sind: wir gehen nebeneinander mit etwa zwei Metern Abstand über die Felder. Die Kitze sind ungefähr so groß wie eine Katze und gut getarnt, sehen manchmal aus, wie ein Maulwurfshügel. Wenn ihr ein Kitz seht: kurze Meldung, nicht anfassen, ich trage es dann mit Grasbüscheln und Handschuhen aus der Gefahrenzone.“
Ein Kitz im Kornfeld – und vier weitere an diesem Tag
Los geht’s, die Augen nach unten und immer mal wieder ein Blick nach rechts und links, um auf gleicher Höhe mit den anderen zu bleiben. Das Kornfeld östlich des Kohdiek ist das erste Suchgebiet und ein Teil des etwa 300 Hektar großen Reviers, das Frommé als Jagdpächter in Bergstedt betreut. Die Kitzrettung hat er vor drei Jahren ins Leben gerufen und ist von der Unterstützung durch die Tierfreunde begeistert: „In unserer Gruppe engagieren sich rund 200 Kitzretter, vom Schulkind bis zum Ruheständler. Durch die gute Zusammenarbeit mit den Landwirten, die je nach Wetter kurzfristig das Mähen ankündigen, und den immer wieder spontan zusammengestellten Suchtrupps konnten wir jedes Jahr zehn bis zwölf Kitze aus den Feldern retten“. Ein toller Erfolg, und nur Minuten später folgt der nächste: Kitz gefunden! Sebastian Frommé nähert sich vorsichtig dem Jungtier, das sich zwischen die Kornhalme drückt, und beschreibt die Situation: „Ich nehme jetzt zwei Grünbüschel und gehe auf das Tier zu, vermute aber, dass das Kitz gleich weglaufen wird, denn es sieht schon etwas größer aus und dürfte knapp zwei Wochen alt sein.“
Genau so ist es, das Kitz läuft aus dem Feld. Glückliche Gesichter in der Runde, alle freuen sich über das gerettete Tier und Frommé benachrichtigt den Landwirt über das freie Kornfeld. Kurze Zeit später erreicht uns die Nachricht, dass eine weitere Gruppe unter Leitung von Mayleen Frommé im Bereich Immenhorstweg vier Kitze aus den Feldern geborgen hat. „Bis Anfang Juli geht das jetzt so weiter“, sagt der Jagdpächter, „dann sind die Jungtiere so groß, dass sie mit der Ricke mitlaufen. Heute war das ein sehr guter Tag für die Kitze, ich danke euch allen, bis zum nächsten Mal.“ Schon kommt der nächste Aufruf für ein Rettungsteam und wieder ist die Suchmannschaft schnell komplett.
Die Kitzretter
Die Kitzretter-Gruppe von Sebastian und Mayleen Frommé hat 200 Mitglieder. Weitere können zurzeit leider nicht aufgenommen werden. Wenn Sie sich für die Kitzrettung interessieren, finden Sie auf www.norddeutsche-wildtierrettung.de alle wichtigen Informationen.
Nottelefon für verletzte und hilflose Tiere: Tel. 040-222277
Last modified: 9. Juni 2021