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Eltern lesen wieder mehr vor

12. Mai 2021

Interview mit Julia Bielenberg

VOLKSDORF Ein Jahr leben mit der Pandemie prägt den Familien-Alltag. Ein Merkmal: Kinder, Jugendliche und Erwachsene greifen wieder öfter zum Buch. Dies hat die Volksdorferin Julia Bielenberg, Verlegerin der Verlagsgruppe Oetinger, beobachtet.

Von Marius Leweke

Heimat-Echo: Hat der Lockdown das Lesen bei Kindern und Jugendlichen wieder populärer gemacht?
Julia Bielenberg:
Auf alle Fälle. Das belegen schon die Verkaufszahlen. Das Geschäft mit Kinder- und Jugendbüchern hat 2020 gegenüber dem Vorjahr um vier Prozent zugelegt, in unserer Verlagsgruppe sogar um elf Prozent.

Was steckt Ihrer Meinung nach hinter diesem Trend?
Ich denke, Eltern lesen ihren Kindern wieder häufiger vor, bedingt durch die häusliche Situation mit Homeoffice und Homeschooling. Außerdem bleibt ohnehin mehr Zeit, sich mit Büchern zu beschäftigen.

Was lesen Kinder und Jugendliche im Lockdown?
Wir konnten im vergangenen Jahr ein besonders starkes Interesse an unseren Kinder- und Jugendbuch-Klassikern beobachten.

Zum Beispiel?
Zu unseren Klassikern zählen unter anderem Pippi Langstrumpf, da haben wir 2021 75-jähriges Jubiläum gefeiert, Petterson und Findus, die Sams-Bücher oder die Olchis . Auch renommierte Autorinnen wie Cornelia Funke und Kirsten Boie sind bekannt und sehr beliebt. Eltern greifen einfach gerne auf eigene Leseerfahrungen zurück, auf Bücher und Autoren, die sie aus ihrer eigenen Kindheit und Jugend kennen und schätzen.

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Julia Bielenberg, Verlegerin der Verlagsgruppe Oetinger. Foto: Elfriede Liebenow

Sind denn Gute-Laune-Themen oder Ernstes eher angesagt?
Das vergangene Jahr hat es gezeigt: Es braucht sowohl Wohlfühl-Titel, gerade für jüngere und Erstleser mit Geschichten, die begeistern, als auch Bücher, die sich mit Themen wie Umweltschutz und Klimakrise auseinandersetzen. Überrascht hat uns der Erfolg von zwei Büchern mit ernsten Themen: Cornelia Funkes Bilderbuch „Die Brücke hinter den Sternen“, das sich mit dem Tod auseinander setzt, und „Dunkelnacht“ von Kirsten Boie, das ein Verbrechen kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs zum Thema hat. Im Lockdown hat die Autorin Zeit gefunden, an diesem Buch zu arbeiten. Am 26. April war sie mit dem Buch beim Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue eingeladen. Im Gespräch mit Schülern ging es darum, wie wichtig es ist, sich auch heute noch an die Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern, um zu verhindern, dass so etwas wieder passieren kann.

Gibt es schon Bücher, die die Corona-Pandemie und ihre Folgen direkt aufgreifen?
Dazu ist es noch zu früh. Es ist ja nicht so, dass ein Autor einfach seine Schublade aufmacht und ein fertiges Buch zur Pandemie herauszieht. Ich denke ohnehin, es braucht keine dezidierte Corona-Literatur und schon gar keine Schnellschüsse. Ich bin aber überzeugt davon, dass sich die Pandemie-Situation mit der veränderten Art des Zusammenlebens und dem Bedürfnis nach Solidarität sich in Zukunft im Kinder- und Jugendbuch niederschlagen wird.

Gibt es neben den etablierten Autoren auch Newcomer, die jetzt ins Blickfeld kommen?
Unbekannte Autoren haben es derzeit schwer. Der stationäre Buchhandel läuft noch nicht wieder auf vollen Touren und das macht es schwer, neue Bücher zu entdecken. Leser brauchen den Tipp und die Kompetenz des Buchhändlers und die Zeit, einfach mal in den Regalen zu stöbern.

Haben Sie unter den weniger bekannten Autoren einen Tipp?
Der Jugend-Thriller „Wir sind die Wahrheit“ von Andreas Götz ist ein starker Titel mit den wichtigen Themen Demokratie, Rechtsruck und Populismus. Andreas Götz wurde dafür gerade mit dem renommierten Friedrich-Glauser-Preis für den besten Jugendkrimi ausgezeichnet. Für jüngere Leser rate ich zu der Berliner Autorin Anna Böhm mit ihren humorvollen Kinderbuchreihen „Emmi und Einschwein“ und „Die Tierpolizei“.

Lesen Kinder und Jugendliche eigentlich überhaupt noch gedruckte Bücher – oder hören sie lieber Hörbücher?
Das gedruckte Buch bleibt die bevorzugte Variante. Beim Hörbuch geht der Trend, wie in der Musik auch, ganz klar zum Streaming – etwa über Dienste Spotify oder über Hörboxen wie die Toniebox, die für kleinere Kinder einen Sammel- und Spieleffekt mitbringt.

Last modified: 12. Mai 2021

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